Frage
Assalamu Alaikum wa rahmatullahi wa barakathu,
stimmt es, dass die Aschariten glauben, dass die Worte des Qurʾān und der Sunnah die Quelle des Unglaubens und der Erneuerung sind? Und wie gehen wir mit Aussagen wie dieser von As-Sanūsī um: „[Zur Ursache des Unglaubens gehört] die bloße Anwendung der wörtlichen Ausdrücke aus dem Buch und der Sunnah in Glaubensfragen.“
Antwort
بسم الله الرحمن الرحيم
حامدا ومصليا ومسلما
وعلیکم السلام ورحمة الله وبركاته
Nein, es ist nicht wahr, dass die Aschariten glauben, dass die Worte des Qurʾān und der Sunnah eine Quelle des Unglaubens oder der Erneuerung seien. Vielmehr sind dies Fehlinterpretationen ihrer Aussagen.
Ashʿarī-Gelehrte wie Imām Abū ʿAbdillāh as-Sanūsī (Raḥimahullāh) und Imām as-Sāwī (Raḥimahullāh) haben erklärt:
„[Zur Ursache des Unglaubens gehört] die bloße Anwendung der wörtlichen Ausdrücke aus dem Buch und der Sunnah in Glaubensfragen, ohne eine detaillierte [Untersuchung] darüber, was im wörtlichen Sinn der Ausdrücke unmöglich ist und was nicht.“ (Siehe al-Muqaddimāt von Imām as-Sanūsī).
Was haben die Gelehrten tatsächlich gesagt?
Imām as-Sanūsī (Raḥimahullāh) schreibt in seinem Sharḥ zu den Muqaddimāt, in dem er das zuvor erwähnte Zitat erklärt:
„Was die Sechste [Ursache für den Unglauben und die Erneuerung] betrifft, so ist es das Festhalten an den bloßen wörtlichen Bedeutungen in Glaubensangelegenheiten aus dem Buch (Qurʾān) und der Sunnah, ohne jegliche Einsicht darüber, was aufgrund der wörtlichen Bedeutung unmöglich ist und was nicht. Es besteht kein Zweifel daran, dass dies eine Hauptursache für den Unglauben und die Erneuerung ist. Was den Unglauben betrifft, so ist dies zum Beispiel das, was die Dualisten, die an die Göttlichkeit von Licht und Dunkelheit glauben, taten, indem sie die Aussage des Allerhöchsten: ‚Allah ist das Licht der Himmel und der Erde‘ dahingehend interpretierten, dass das Licht einer der beiden Götter sei und dass sein Name Allah sei. All dies, während sie die rationale Unmöglichkeit nicht bedachten, dass Licht ein Gott sein könnte, da es Veränderungen unterliegt und erschaffen wurde. Es entsteht und vergeht, während es für einen Gott unmöglich ist, jeglichen Veränderungen zu unterliegen, da Ewigkeit und Beständigkeit notwendige Eigenschaften für Ihn sind.“
Imām as-Sanūsī (Raḥimahullāh) schreibt in seiner Erklärung zu al-ʿAqīdah al-Kubrā ebenfalls:
„Denn wir wissen mit Gewissheit, dass die Scharīʿah nicht von dem Geschehen dessen berichtet, was unmöglich ist. Wenn wir also in diesem Zusammenhang die rationale Vernunft (ʿaql) ablehnen und uns lediglich an die wörtliche Bedeutung eines Textes halten würden, der auf eine Unmöglichkeit hinweist, würde dies auch zur Zerstörung des Textes selbst führen. Da die rationale Vernunft eine Grundvoraussetzung für die Etablierung der Prophetologie ist, durch die die Wahrhaftigkeit der Offenbarung erkannt wird, führt die Ablehnung der rationalen Vernunft zur Ablehnung der Offenbarung.“
Daraus wird so klar wie das Tageslicht, dass Imām as-Sanūsī (Raḥimahullāh) nicht behauptet, der Qurʾān selbst führe einen in den Unglauben. Vielmehr ist es die Handlung der Person, die sich nur an das Wörtliche klammert, ohne zu berücksichtigen, dass dies zu absurden Unmöglichkeiten führt – etwas, das sowohl von den Aschariten als auch von der Opposition als unmöglich angesehen wird. Dies ist eine Ursache (Asl) für den Unglauben oder die Erneuerungen. Die Texte selbst sind nicht so gestaltet, dass sie rational absurde Ergebnisse erzeugen, die zu Unglauben und Erneuerungen führen. Stattdessen führt die Person, die die Texte analysiert und interpretiert, sich selbst in den Unglauben, indem sie ein halbgares Prinzip verwendet, das sie in zahlreiche Widersprüche auf rationaler und religiöser Ebene führt.
Um fortzufahren: Dies liegt auch an den Widersprüchen, die entstehen würden, wenn sich eine Person ausschließlich an die wörtlichen Bedeutungen der gesamten Texte halten würde.
Ein Beispiel hierfür sind die Aussagen Allahs: „Sie haben Allah vergessen, so hat Er sie vergessen“ und „Heute vergessen wir sie genauso wie sie das Kommen dieses Tages vergessen haben.“ Durch das Festhalten an den wortwörtlichen Bedeutungen, wie in den erwähnten Versen, wird eine Person dazu verleitet anzunehmen, dass Allah vergesse, was jedoch stark durch den Verstand negiert wird. Ebenso wird dies durch den Qur’an selbst stark negiert, da Allah im Qur’an sagt: „Allah weiß alles“ und „Dein Herr vergisst nicht.“ So hat die Anwendung der wortwörtlichen Bedeutung in zwei Widersprüche geführt: Der erste ist ein Widerspruch im Hinblick auf den Verstand, welcher bestätigt, dass Allah nicht vergessen kann. Der zweite ist ein Widerspruch im Hinblick auf den klaren göttlichen Text, welcher bestätigt, dass Allah der Allwissende ist und nicht vergisst. Wer ablehnt, dass Allah der Allwissende ist, verfällt ohne Zweifel in den Unglauben. Dies ist der Unglaube, welchen Imām as-Sanūsī (Raḥimahullāh) hier indiziert.
Der Unglaube entsteht nicht durch die Platzierung Allahs von Worten und Buchstaben in der arabischen Komposition des Qurʾān, sondern durch die fehlerhafte Anwendung des Lesers, der sich an das Prinzip des „Festhaltens an den wörtlichen Bedeutungen“ klammert.
Man beachte, wie Imām as-Sanūsī (Raḥimahullāh) sagte: „Festhalten an den wörtlichen Bedeutungen“ und nicht „Festhalten am Qurʾān und an der Sunnah.“ Denn der Qurʾān und die Sunnah, sowohl ihre Worte als auch ihre Bedeutungen, wurden nicht so angeordnet, dass sie in allen Szenarien diese wörtlichen Bedeutungen implizieren sollten.
Sogar Imām Aḥmad ibn Ḥanbal (Raḥimahullāh) erklärte diese Vorgehensweise in einigen Überlieferungen. Ein solches Beispiel findet sich in den Masāʾil Imām Aḥmad von seinem Sohn ʿAbdullāh (Raḥimahullāh):
„Ich fragte meinen Vater nach einem Vers, der allgemein (ʿāmmah) in seiner Bedeutung ist. Er sagte: Seine Erklärung findet man in der Sunnah, in den Ḥadīthen. Wenn der Vers seinen wörtlichen Sinn impliziert, schau nach, wie dies in der Sunnah erklärt wurde. Diese ist ein Beweis für die wörtliche/äußere Bedeutung des Verses. Z. B. die Aussage des Allerhöchsten: yuṣīkum Allāhu fī awlādikum (Allah weist euch hinsichtlich eurer Kinder an [Qurʾān 04:11]). Würde dieser Vers wörtlich genommen werden, dann würde jeder, der als ‚Sohn‘ bezeichnet wird, erben. Doch als durch die Sunnah erklärt wurde, dass ein Muslim nicht von einem Ungläubigen erben kann, noch ein Ungläubiger von einem Muslim, noch ein Mörder, ein Sklave oder ein Mukātib (ein vertraglich gebundener Sklave, der seine Freiheit erkauft), wurde die Sunnah zum Beweis für Allahs beabsichtigte Bedeutung in dieser Hinsicht.“
ʿAbdullāh ibn Aḥmad (Raḥimahullāh) berichtete:
„Ich hörte meinen Vater sagen: ‚Wer nicht für die Umkreisung des Besuchs (Ṭawāf az-Ziyārah), das Werfen der Steine (Ramī al-Jimār) und all die anderen notwendigen Handlungen kommt, dessen Pilgerfahrt ist nicht vollständig. Denn wahrlich, die Aussage des Propheten (ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam): „Die Pilgerfahrt ist ʿArafah“ ist, wenn man sie im Zusammenhang mit diesen Dingen betrachtet, vergleichbar mit der Aussage von ihm (ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam): „Wer eine Gebetseinheit verrichtet hat, hat es (das Gebet) verrichtet.“ Wenn diese Aussage wörtlich genommen werden würde, wäre das Gebet vollständig, sobald man nur eine Gebetseinheit (Rakʿa) verrichtet.‘ Dann sagte mein Vater: ‚Wer argumentiert, dass der Hajj nur ʿArafah sei, müsste, wenn man diese Aussage wörtlich nimmt, einfach in ʿArafah stehen, dann zu seiner Ehefrau zurückkehren, intim mit ihr sein und auf die Jagd gehen [was im Zustand des Iḥrām nicht erlaubt ist]!‘“
Zusammenfassend: Wenn eine Aussage eines Aschariten aufgefunden wird, in der erklärt wird, dass die Wurzel des Unglaubens darin liegt, an den wörtlichen Bedeutungen in den Glaubensangelegenheiten festzuhalten, ohne Einsicht in die rationalen und textuellen Beweise, so sollte bekannt sein, dass dies dazu dient, die Häretiker – wie die heutigen Islamophoben – zurückzuweisen, die mit dem Glauben der einfachen Muslime spielen, indem sie versuchen, durch Scheinargumente zu beweisen, dass sich die Texte widersprechen.
Sie nutzen dafür etwa Aussagen Allahs wie: „Sie haben Allah vergessen, so hat Er sie vergessen“ sowie andere ähnliche Verse oder Texte, die aus ihrem jeweiligen Kontext gerissen werden. Dies führt dazu, dass die wörtliche Bedeutung übernommen wird, was jemanden in den Unglauben führen könnte, wenn er dies bestätigt.
In Wirklichkeit aber, wenn diese Verse und Aussagen im richtigen Kontext betrachtet werden, wird deutlich, dass die wörtliche Bedeutung der zuvor aus dem Zusammenhang gerissenen Aussage nicht die beabsichtigte Bedeutung ist, für die Allah sie offenbart hat.
Dies ist eine Angelegenheit, über die Einigkeit herrscht, wie es auch aus den Aussagen von Imām Aḥmad (Raḥimahullāh) hervorgeht.
وبالله التوفيق
Beantwortet von Junaid Kiyani
Bestätigt durch Dār al-Iftā’ Deutschland
18.03.25, Bradford
Quellen
قال الامام السنوسي في شرح المقدمات (دار التقوى) ص203:
وأما الأمر السادس: وهو التمسك في عقائد الإيمان بمجرد ظواهر الكتاب والسنة من غير تفصيل بين ما يستحيل ظاهره منها وما لا يستحيل: فلا خفاءَ في كونه أصلا للكفر أو البدعة. أما الكفر: فكأخذ الثنوية القائلين بألوهية النور والظلمة من قوله تعالى: ﴿الله نور السموت والأرص﴾ أن النور أحد الإلٰهين واسمه: الله، ولم ينظروا الى استحالة كون النور إلٰها؛ لأنه متغير حادث، ويوجد وينعدم، والإله يستحيل عليه التغير، ويجب له القدم والبقاء.
وقال في شرح العقيدة الكبرى (دار التقوى) ص٦٢٥:
لأنا قطعنا أن الشرع لا يخبر بوقوع ما لا يمكن وقوعه، ولو كذبنا العقل في هذا، وعملنا بظاهر النقل المستحيل…لأدّى ذلك الى انهدام النقل أيضا؛ لأن العقل أصل لثبوت النبوات التي تفرّع عنها صحة النقل د، فيلزم إذا من تكذيب العقل تكذيب النقل.
مسائل أحمد بن حنبل رواية ابنه عبد الله (المكتب الإسلامي) ص350:
سَالَت أبي عَن الْآيَة اذا كَانَت عَامَّة فَقَالَ تَفْسِيرهَا بِالسنةِ بِالْحَدِيثِ اذا كَانَت الْآيَة ظَاهِرَة فَينْظر مَا جَاءَت بِهِ السّنة هِيَ دَلِيل على ظَاهر الْآيَة مثل قَوْله ﴿يُوصِيكُم الله فِي أَوْلَادكُم﴾ فَلَو كَانَت الْآيَة على ظَاهرهَا ورث كل من وَقع عَلَيْهِ اسْم ولد فَلَمَّا جَاءَت السّنة ان لَا يَرث مُسلم كَافِرًا وَلَا كَافِر مُسلما وانه لَا يَرث قَاتل وَلَا عبد مكَاتب هِيَ دَلِيل على مَا أَرَادَ الله من ذَلِك.
مسائل أحمد بن حنبل رواية ابنه عبد الله (المكتب الإسلامي) 222 و 239:
قَالَ سَمِعت أبي يَقُول …فَمن لم يَأْتِ بِطواف الزِّيَارَة وَرمي الْجمار وَمَا تجب عَلَيْهِ فَلَيْسَ حجه بتام وانما قَوْله الْحَج عَرَفَة اذا جَاءَ بِهَذِهِ الاشياء يشبه قَوْله ﷺ من أدرك رَكْعَة من الصَّلَاة فقد ادركها فَلَو كَانَ على ظَاهر هَذَا الْكَلَام كَانَ قد كمُلت صلَاته اذا أدرك رَكْعَة… قَالَ أبي وَمن احْتج فَزعم ان الْحَج عَرَفَة فَلَو كَانَ على ظَاهر الْكَلَام وقف بِعَرَفَة وَرجع الى اهله ووطئ اهله وأصاب الصَّيْد.

